ÖPNV-Strategie Baden-Württemberg 2030

  1. Beseitigung BÜ Kleinsteinbach
  2. Barrierefreier Ausbau Bf. Wilferdingen-Singen und SEV-Umsteiger 2018
  3. Verbindung der SFS Mannheim–Stuttgart mit einer Kurve nördlich Bf. Graben-Neudorf mit der Rheinbahn Mannheim-Karlsruhe
  4. Effizienz von Modernisierungsvorhaben
    1. Höllentalbahn Ost
    2. Straße vs Bahn im Höllental und auf der Baar
    3. Gäu-Neckar-Bahn
    4. Zollern-Alb-Bahn 1
    5. Bodensee-Gürtelbahn
    6. Südbahn
  5. Fazit

Um das erstrebenswerte Ziel der Verdoppelung der Fahrgastzahlen zu erreichen, bedarf es m.E. zusätzlicher flankierender Massnahmen in der Infrastruktur und im politischen Willen, den exorbitanten Straßenbau parallel zur Bahn zu stoppen.

Grundsätzlich muss eine Trennung von schnellen und langsamen Zugbetrieb vorgenommen werden. Wer kennt nicht die Durchsage: „X Minuten Verspätung wegen langsam vorausfahrendem Zug“. Fernverkehr (Fv) und Nahverkehr (Nv) bremsen sich gegenseitig aus, der Regionalverkehr hat das Nachsehen – im Bereich Karlsruhe-Pforzheim-Residenzbahn und Schnellfahrstrecke (SFS) Mannheim Stuttgart wären Verbesserungen für den Regionalverkehr fällig.

Beseitigung Bahnübergang (BÜ) Kleinsteinbach

Kurz vor dem Bf. Wilferdingen-Singen gelegen müssen seit 2006 alle Züge von 110 km/h auf 30 km/h abbremsen. Durch die Energieverluste dürften bis jetzt die Kosten dafür die Baukosten bald eingeholt haben. Lt. „Allianz pro Schiene“ kostet so ein Brems- und Beschleunigungsvorgang 25,-€ pro Zugfahrt.

Eine machbare Planung gibt es, an der Realisierung fehlt es. Hier müsste das Verkehrsministerium (VM) ordnend eingreifen. 

Barrierefreier Ausbau Bf. Wilferdingen-Singen und SEV-Umsteiger 2018

Dieser Bf ist IRE-Halt und hat mit seinem stark genutzten P+R-Parkplatz für den regionalen Zugverkehr nach Karlsruhe und Pforzheim/Stuttgart große Bedeutung. Fotos siehe dazu Abschnitt SEV.

Es ist nicht bekannt, dass dieser barrierefrei ausgebaut werden sollte. Im Zuge des SEV 2018 kam es zu folgenden Szenen...

Orientierungslose Fahrgäste
Kundenfreundliche Informationen...
...sportlich gestaltet
nicht barrierefrei

Verbindung der SFS Mannheim–Stuttgart mit einer Kurve nördlich Bf. Graben-Neudorf mit der Rheinbahn Mannheim-Karlsruhe

Damit wäre eine durchgehende Schnellfahrstrecke Stuttgart-Straßburg hergestellt. Gleichzeitig Entlastung der Strecke Bruchsal-Karlsruhe, die überlastet ist. Mit der Herausnahme des Fernverkehrs ergibt sich eine Erhöhung der Pünktlichkeit im Nahverkehr, vor allem im Knoten Durlach. Im Zusammenhang mit der Entwicklung einer Güterzugtrasse Mannheim-Karlsruhe ist diese Verbindung zu überprüfen.

Zubringerbusse

Vielfach hat sich die Siedlungsstruktur, auch im Pfinztal, von den Stationen weg auf die Talflanken entwickelt. Für die erste und letzte Meile sind Zubringerbusse zu den Stationen einzurichten. Fürs Radfahren sind die steilen Zufahrten nicht zuzumuten.

Schienersatzverkehre (SEV)

Streckensperrungen wegen Routineauswechslung von Gleisen auf vorhandener Trasse sind sehr fahrgastunfreundlich, vor allem dann, wenn bei 24-h–Sperrung nur 8 oder 10 h gearbeitet wird und wenn fast jährlich die selbe Strecke gesperrt wird, wie z.B. Bruchsal-Durlach. 

Beispielhaft wurde die Strecke zwischen Wilferdingen-Singen 2018 mehrfach gesperrt für Arbeiten, die maximal in einer Woche zu erledigen gewesen wären. Alle Geschwindigkeitsbeschränkungen auf dieser IC-Strecke, die auch als Umleitung für die SFS dient, wurden selbstverständlich beibehalten. Das ist kontraproduktiv, vertreibt die Fahrgäste und dürfte einem Deutschlandtakt abträglich sein.
Auf diese Weise wird eine Verdoppelung der Fahrgastzahlen nicht erreicht werden. Das Land als Besteller muss DB Netz Streckenvollsperrungen verbieten. Der Kunde muss wieder König werden, so wie das bei der alten Beamtenbahn üblich war.

Effizienz von Modernisierungsvorhaben

Höllentalbahn Ost

An erster Stelle einer absolut ineffizienten Massnahme steht die Elektrifizierung und Einbindung der Höllentalbahn Ost in die Breisgau-S-Bahn. Für 40 Mio €. (Siehe Anhang).
Nicht nur, dass durch eine Bündelungstrasse mit der B31 zwischen Löffingen und Unadingen die Strecke und damit die Fahrzeit um 5 Minuten verkürzt hätte werden können, sondern es hätten auch rund 40.000 m² alter Bahnkörper an die Natur zurück gegeben werden und zusätzlich rund 500.000 € jährlich an Kosten ein gespart werden können.

Entwurfsplanung Emch+Berger 1981

 

Zu dieser 40 Mio. Investition kommt noch, dass sich die Fahrzeit Neustadt-Donaueschingen gerade mal um eine Minute verkürzt hat. Gegenüber 1991!

Dagegen hat sich die Reisezeit Neustadt-Rottweil um eine halbe Stunde verlängert gegenüber 2014. Schon vor dem WK II gab es immer direkte (Kurswagen)-Verbindungen von Freiburg und  Neustadt über Donaueschingen nach Ulm und über Villingen nach Rottweil mit Anschluss nach Stuttgart und Tübingen. Seit dem Breisgau-S-Bahn-System 2020 ist die Verbindung nach Rottweil in Villingen durch ein 20 minütiges Umsteigen unterbrochen.

Für den Nahverkehr wird dieser Streckenabschnitt kaum genutzt. Einigermaßen frequentiert ist der Bf. Löffingen. Die Stationen der im Tal liegenden Orte Bachheim (500E) und Unadingen (1000E) bzw. das auf der Höhe liegende Döggingen sind nur über steile Zugangsstrassen zu erreichen. Die früheren Haltepunkte Reiselfingen und Hausen vor Wald wurden bereits in den 1980er Jahren aufgelassen. Eine  Buslinie Neustadt-Donaueschingen bedient diese Orte. Zusätzlich gibt es saisonale Wanderbusse. 
Um hier wieder durchgehende Züge bis Tübingen und Stuttgart zu haben, müsste Villingen-Rottweil elektrifiziert und das ganze Betriebskonzept neu und kundenfreundlich überarbeitet und die Fehlplanung Neustadt-Donaueschingen korrigiert werden.

Straße vs Bahn im Höllental und auf der Baar

Seit Jahrzehnten wird die B31 zur „Verflüssigung des Verkehrs“ drei- und vierspurig ausgebaut, nachdem in den 1970ern eine Schwarzwaldautobahn von der Bevölkerung abgelehnt worden war. Schon damals lavierten die Parteien zwischen Vernunft, die Erholungslandschaft zu schützen und dem Willen zum Autofahren. Ab 2020 sollen den nächsten Jahren zur Beschleunigung des Straßenverkehrs – insbesondere des LKW-Verkehrs – etwa 80 Mio ausgegeben werden, zusätzlich für den Falkensteig-Tunnel 140 Mio., rund 220 Mio. Die Landkreise Breisgau-Hochschwarzwald und Schwarzwald-Baar haben eine PKW-Dichte von 630/ 1000 Einwohner. Das Desaster ist dem Eifer eines Bahnchefs Mehdorn, einstmals Manager bei Daimler-Benz, zuzuschreiben, der anfangs der 1990er Jahre den Gleisanschluss- und flächendeckenden Güterverkehr abwürgte, um Gewinn zu machen. Heute hat die Bahn 35 Mrd. Schulden und als Ergebnis  davon sind die Straßen mit Güter-LKW überflutet. Mittlerweile wurde die Fehlentscheidung erkannt und Geld für den Neubau von Glelsanschlüssen bereit gestellt, leider aber lt. aktuellem BRH-Bericht sind von diesen Geldern 124 Mio. zweckentfremdet für den Strasßenbau verwendet worden.

Wenn der Straßenbau in dieser ökologisch sensiblen Erholungslandschaft vorangetrieben wird und das Autofahren erleichtert, wer fährt da noch Bahn? Erholungssuchende? Ein wesentlicher Grund für noch mehr Straßen ist die Einstellung des Schienen-Güterverkehrs in der Fläche. Damit die LKW die schnellen PKW nicht aufhalten, kommt eben die „Verflüssigung“, sprich die Verbesserung durch mehrspurigen Ausbau und die Verlängerung von Überholsichtweiten.

Würde jemand auf die Idee kommen, für 200 Mio die Höllentalbahn auf 160km/h auszubauen, der würde für unzurechnungsfähig erklärt, weil topographisch unmöglich. Aber für den LKW-Verkehr ist die Topographie kein Hindernis, jeder Politiker ist mit Rücksicht auf seine Wähler bereit, die Erholungslandschaft umpflügen zu lassen.

Gäu-Neckar-Bahn

Seit Jahrzehnten bringt es die DB (Netz) nicht fertig, die Zweigleisigkeit zwischen Horb und Tuttlingen wieder herzustellen, noch nicht mal die drei Kilometer 
zwischen Horb und Neckarhausen. Obwohl die Bundesrepublik Deutschland mit der Schweiz vor vielen, vielen Jahren ein Abkommen zur Beschleunigung der internationalen Gäu-Neckar-Bahn getroffen hat! Sowohl im Fern- als auch im Nahverkehr wäre für die Fahrgäste ein flexibler Betrieb mit ggfs. kürzere Fahrzeiten möglich.

Zollern-Alb-Bahn 1

Wurden doch tatsächlich (von wem?) lahme „Lint“-Triebwagen beschafft lt. 2021 Kursbuch-Notiz „neu+anders“ S. 7, mit „schlechter Fahrdynamik“ und Trittstufen-Problematik“. Tatsächlich haben sich bei den RB zwischen Tübingen und Sigmaringen die Fahrzeiten von 88 Minuten 2014 um 17 Minuten auf 105 Minuten verlängert. 

Bodensee-Gürtelbahn

Hier sieht es ähnlich aus. Hier haben sich die Fahrzeiten zwischen Friedrichshafen und Radolfzell von 66 Minuten 2014 um 7 Minuten auf 73 Minuten 2021 verlängert.

Südbahn

Als Ergebnis des 300-Mio-Projektes reibt sich auch hier der Fahrgast die Augen. Ab 12.12.21 benötigen die RE zwischen Ulm und Friedrichshafen bei drei Zwischenhalten genau 65 Minuten. Bis zum Fahrplanwechsel benötigten die Diesel-RE 68 Minuten bei 6 Zwischenhalten. Zieht man für jeden Halt eine Minute ab, dann sind die elektrischen Züge genau so lahm, wie vor der Elektrifizierung, nur eben CO2-frei. Auf 103 km Länge. Im Schnitt 95 km/h. Ähnlich sieht es im Fv aus:
2014 benötigte der IC 118 bei 4 Zwischenhalten von Friedrichshafen nach Ulm 72 Minuten. Nach der Elektrifizierung sind es immer noch 72 Minuten, allerdings bei 3 Zwischenhalten. Immerhin 86 Km/h im Schnitt bei Wagenmaterial, das 200 und schneller laufen kann.

Fazit:

Es stellt sich die Frage, warum ausgerechnet die Bahn in Sonntagsreden als Klimaretter gepriesen wird, am Montag die Entscheidungsträger alles daran setzen, eine schnelle und effektive Bahn zu verhindern.

Jede noch so kleine Kreisstraße wird begradigt und beschleunigt. VM Hermann war bei der Verkehrsübergabe Dettenheim-Philippsburg am 21.09.2020 dabei. Was im Straßenbau gang und gäbe ist, ist bei der Eisenbahn tabu: Linienverbesserungen zur Geschwindigkeitserhöhung außerhalb der bestehenden Trasse. Die Bahnstrecken sind über 150 Jahre alt. Damals kannten die Ingenieure keine Überhöhungen im Bogengleis. Um diese Überhöhungen herstellen zu können, braucht es Überhöhungsrampen, die auf vorhandenem Bahnkörper wegen fehlender Längenentwicklung eben oft nur außerhalb des vorhandenen Bahnkörpers hergestellt werden können. Es fehlt an durchsetzungstarken und erfahrenen Ingenieuren, die es offensichtlich im VM nicht gibt.

Mit Millionenausgaben ohne spürbare Beschleunigungen sondern mit Fahrzeitverlängerungen (!) wird man keinen Autofahrer auf die Schiene locken können. Außer in Ballungsgebieten, aber nicht im Schwarzwald und am Bodensee. 

Durlach 30.11.2021
Ullrich Müller, Dipl.-Ing. (FH) für Verkehrsbau