Mobilitätswende im Höllental und der Falkensteigtunnel

Das Bundesverkehrsministerium hat der vom Land Baden-Württemberg vorgeschlagenen Vorzugsvariante für die Ortsumfahrung Falkensteig (B 31, Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) zugestimmt. Diese sieht den Bau von zwei großen Tunneln (Falkensteigtunnel und Hirschsprungtunnel) mit einem Kostenvolumen von deutlich über 350 Millionen Euro vor.

Ausschnitt aus einer PM vom 03.02.2021 des VM. Kosten deutlich über 350 Mio. 

Die 350 Einwohner des Straßendorfes Falkensteig werden seit je her vom Straßenverkehr geplagt. Zusätzlich wird  eine Steigerung des Kfz-Verkehrs von 20.000 Fahrzeuge (15% LKW) auf ca. 23.000 Kfz/Tag prognostiziert, damit wird die weitere Zerstörung der sensiblen Natur gerechtfertigt. Mit der „Verflüssigung“ des Straßenverkehrs wird die Forderung nach Verdoppelung der Fahrgastzahlen ad absurdum geführt, und das bei ein und demselben Verkehrsminister. 

Mit einer Eröffnung des Straßentunnels könnte 2035 zu rechnen sein. Bei stagnierender Bevölkerung wäre die angestrebte Verdoppelung der Fahrgastzahlen nur aus den Autofahrern zu generieren. Derzeit werden im Halb-Stundentakt 11.000 Fahrgäste/Tag befördert, 11.000 mehr entspräche etwa 9.000 Pkw weniger. Bis dahin fahren auch ein Viertel aller Pkw klimaneutral mit E-Antrieb, also abgasfrei und mit weniger Lärm. Das Problem der Verkehrsbelästigung dürfte sich somit für die Anwohner von allein gelöst haben. Ohne die 375 Mio. für den Tunnel.
Beim Denken im Status quo wird kein Autofahrer auf die Schiene gelockt, wenn es auf der Straße schneller und ohne Umsteigen geht. Vor allem nicht im dünn besiedelten Hochschwarzwald mit einer Kfz-Dichte von 650 Pkw auf 1000 E.

Schwarz, kaum sichtbar die Höllentalbahn, blau die B31, rot der Falkensteig/ Hirschsprungtunnel. Rechts am 90 Gradbogen befindet sich der Hirschsprung. Durch eine Röhre könnte auch die Bahn fahren. (Plan: BVWP 2030 A860/B31 OU Falkensteig) 

 

Warum kommt kein VM-Stratege darauf, das Geld in die Beschleunigung und Kapazitätsausweitung der Höllentalbahn zu stecken? Eine Röhre würde ausreichen, um von 60 auf 120 km/h zu beschleunigen und damit auch die Kapazität auszuweiten.

Mit 27 km auf Straße und Schiene ist die Entfernung vom Freiburger Hauptbahnhof nach Hinterzarten Bf gleich weit. Der Pkw braucht für diese Strecke 30 Minuten, die Bahn 36. Schon jetzt ist die Bahn durchaus in der Lage dem Pkw paroli zu bieten, wären da nicht die erste und die letzte Meile. In Freiburg sind fast alle Ziele mit Straßenbahn und Bus leicht zu erreichen. Im dünn besiedelten Hochschwarzwald müssen Busse und weiterhin der Pkw Zubringerfunktionen zu den Bahnhöfen übernehmen. 

Anders sieht es auf der Gesamtstrecke aus. Für die 76 km von Freiburg nach Donaueschingen braucht die Bahn aktuell 1:29 h und ist trotz Elektrifizierung nur 6 Minuten schneller wie vor 30 Jahren mit Dieselbetrieb zwischen Neustadt und Donaueschingen, weil das Umsteigen in Neustadt entfallen ist. Dazu kommen noch Fußmarsch für die erste und letzte Meile. Der Pkw braucht nur 1:06h für 63,5 km inklusive erster und letzter Meile. 

Kein Ruhmesblatt hat sich die die DB Netz erworben bei der Elektrifizierung der hinteren Höllentalbahn 2019/20. Für 40 Mio. Ausgaben, hauptsächlich für Tunnelsanierungen, neuer Signaltechnik und Entfall von Überhol-, Ausweich- und Ladegleisen. Das Abschneiden der Kurven zwischen Löffingen und der Gauchach-Brücke bei Bkm 60 hatten die DB-Netzstrategen glatt vergessen. Die Straßenbauer sind da wesentlich wacher. Im Raum Karlsruhe wurde ein unbedeutendes Kreissträßlein, von VM Hermann eingeweiht, weil begradigt und dadurch Land entsiegelt werden konnte. Bei der Eisenbahn geht das seltsamerweise nicht.

Statt einer 5 km langen Bündelungstrasse mit der B31 wie 1981 von der alten Bundesbahndirektion (BD) Karlsruhe geplant, wurden 11 km umwegige Strecke ohne Verkehrswert elektrifiziert. Im Übrigen werden alle Orte zwischen Neustadt und Donaueschingen mit einer Buslinie bedient, so auch Bachheim (375 E) und Unadingen (1000 E), deren Haltepunkte, vormals Bahnhöfe mit Kreuzungs- und Ladegleisen, sehr ungünstig zur Besiedlung liegen. Für den Kilometer wurden durchschnittlich 1 Mio. ausgegeben, 11 Mio. umsonst. Rechnet man für die NBS einschließlich Fahrdraht mit Kosten von 25 Mio., die zur Hälften mit GVFG bezuschusst werden, müssten vom Vorhabenträger 12,5 Mio Eigenmittel aufgebracht werden. Da Elektrifizierungskosten von 11 Mio entfallen wären, ergäbe sich  eine Deckungslücke von 1,5 Mio, die durch Entfall von Schienenmaut in kurzer Zeit amortisiert gewesen wäre. Bei 40 Zügen/Tag und 6 km kürzerer Strecke gibt das 240km/Tag x 360 Tage (eingeschränkte Betriebstage berücksichtigt) = 86.400 km zu 5,30€/km = rund 458.000 € Ersparnis pro Jahr. Dazu kommen noch Ersparnisse durch weniger Streckenunterhalt, sodass mit Einsparungen von rund 500.000€/Jahr hätten gerechnet werden können. 

Obendrein hätte sich die Fahrzeit um gut 5 Minuten verkürzt, als Verspätungsreserve und für bessere Übergänge z. B. in Villingen nach Rottweil-Stuttgart.
42.000 qm Bahngelände hatten der Natur zurückgegeben werden können, denn durch den Entfall von 11.000 m Strecke mit einer Breite von etwa 7,0 m wären 77.000 qm Bahngelände frei geworden, gegenüber 35.000 qm für die Neubaustrecke.

Der beim Tunnelbau entstehende CO2-Feinstaub-Fußabdruck und Energievernichtung konterkarieren die Klimaschutzziele. Leider werden nicht die baubedingten Umweltbelastungen mit denen durch den steigenden  Strassenverkehr entstehenden Belastungen gegengerechnet. Die Kriterien für die Begründungen für Straßenbauvorhaben sind recht dürftig, lediglich C02 –Einsparungen im fliessenden Verkehr, wenn „flüssig“ ohne Stau, statt 80 km/h  100 km/h gefahren werden kann und steigende Kfz- Zahlen. Auch haben sich die Straßenbauer nicht gescheut beim vierspurigen Ausbau des Knotens B27/B31 bei Hüfingen, das Naturdenkmal Zusammenfluss von Brigach und Breg zur Donau für 1,8 Mio. 2016 umzuverlegen und der aktuell für 4 Mio. € renaturiert wird. Insgesamt sind in den nächsten Jahren in den Ausbau der B31 ca. 80 Mio. € eingeplant.

Ganz anders bei der Bahn, bei der eine pingelige Kosten-Nutzen-Rechnung aufgemacht werden muss. Dazu kommt noch, dass die Straßenbauer auf Vorrat planen, während DB Netz nur auf Anweisung und bei Planungskostenerstattung tätig wird. Dabei ist es offensichtlich von der „Politik“ gewollt, dass DB Netz an kreativer Eigeninitiative mangelt. Es werden neue Gleise als Ersatzneubau 1:1 auf über 150 Jahre alten Bahntrassen, als 50-60 km/h an Höchstgeschwindigkeit top aktuell waren, als Bahnausbau propagiert. Dazu noch in wochenlangen Streckentotalsperrungen, was träge Bahnbeamte in  acht/neun Nachtsperrungen fahrgastfreundlich erledigt hatten.

Fazit:

Es fehlt am Vorausdenken in die Zukunft.
Für das rund 5 Kilometer lange vierspurige Falkensteig-/Hirschsprungtunnelprojekt in sensibler Natur ist der Bund bereit, 350 Mio € aus Steuermitteln auszugeben, weil in Zukunft 3.000 Pkw mehr erwartet werden. Für eine 5 km lange kostenneutrale eingleisige Neubaustrecke entlang der B 31 fehlt es nicht nur an Tatkraft, sondern auch an innovativem Denken der Anlagenverantwortlichen, der politischen Entscheidungsträger auf allen Ebenen eingeschlossen.
Wenn Klimaschutz ernsthaft betrieben werden soll, dann müssen solche Tunnelbauten wie der Falkensteigtunnel, die mehr Verkehr statt weniger anziehen, der Vergangenheit angehören. Angesichts der Klima- und Energiekrise ist es ein Gebot der Stunde, Energie aus  Öl und Strom statt in Pkw-Motoren individuell zu vernichten, diese Energien im ÖV, zum Beheizen der Wohnungen und in Produktionsbetrieben zu verwenden. Die Mobilität bleibt durch Verlagerung auf den energieeffizienten ÖV erhalten. 

Darüber hinaus ist zu fragen, was all die Klimaretter mit ihren Demos konkret bezwecken wollen, wenn gleichzeitig der Straßenbau unbeachtet aller Appelle den Landverbrauch einzuschränken, vollendete Tatsachen schafft und andrerseits die Bahn nicht fähig oder in der Lage ist, volkswirtschaftlich kostenneutrale Bahnprojekte, wie die Modernisierung der Höllentalbahn Ost anzudenken oder gar auszuführen.

Ullrich Müller (Dipl.-Ing. FH)
Mitglied im LV Pro Bahn BW
Karlsruhe-Durlach, 06./11.09.2022
Fotos: Ullrich Müller (4)